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Kristallglasuren

Kristalle kennen wir aus ganz unterschiedlichen Bereichen - seien es Eiskristalle am winterlichen Dachfenster, Bergkristalle oder Salzkristalle aus verdunstetem Meerwasser.
Doch auch in keramischen Glasuren können sich Kristalle bilden - vorausgesetzt, dass man eine Glasurmischung findet, die Kristalle ermöglicht.

Auf Kristallglasuren heben sich die Kristalle als runde oder auch ganz „wild“ geformte Elemente von der Grundglasur ab. Mal nur einige wenige, mal so viele, dass die Grundglasur ganz überdeckt wird. Es ist dabei nicht die Entscheidung des Töpfers, wie die Kristalle verteilt sind, sondern sie formen sich nach unergründbaren Gesetzen so wie sie wollen und dort wo sie wollen (was jedes einzelne Objekt zu einem nie wiederholbaren Einzelstück macht).

Damit Kristalle entstehen braucht es ganz spezifische Bedingungen. Für einen Bergkristall beispielsweise ist neben der Grundsubstanz Quarz eine über sehr lange Zeit – tausende von Jahren nämlich! - hohe Temperatur nötig, damit er wachsen kann. Eiskristalle benötigen Wasser und Kälte zum Entstehen; warum sich aber in der einen Nacht Kristalle von ganz anderer Form ausbilden als ein anderes Mal bei gleichen Wetterbedingungen, ist mir ein Rätsel...

Ebenso wie Eisblumen und Bergkristalle brauchen auch keramische Kristallglasuren ein ganz spezielles „Setting“: Zum einen bedarf es einer ausgeklügelten Zusammensetzung der Glasur und dann im Ofenbrand sind die richtige Endtemperatur sowie ein Erhitzen und vor allem Abkühlen auf angemessene Weise unabdingbar.

Unverzichtbar bei der Zusammensetzung der Glasur ist ein hoher Anteil an Zink, denn Zink ist der wichtigste Stoff, aus dem sich Glasurkristalle bilden.

Ebenfalls nötig ist ein möglichst niedriger Anteil von Aluminiumoxid. Aluminiumoxid ist grundsätzlich ein wichtiger Glasurbestandteil, denn als hochschmelzender Rohstoff schützt es Glasuren vor dem Ablaufen und gibt ihnen „Sitz“, wie man sagt. Doch bei Kristallglasuren hemmt die ansteifende Eigenschaft des Aluminiumoxid die Bewegung der Moleküle, die gerne ein Kristallgitter bilden würden – zu viel Aluminiumoxid ist ein echter „Killer“ in Kristallglasuren, ebenso Zirkon und Chromoxid. Durch den geringen Gehalt an Aluminiumoxid neigen Kristallglasuren allerdings erheblich zum Ablaufen und Abtropfen, was den Glasiervorgang sehr heikel macht.

Förderlich zur Ergänzung der Wirkung des Zink sind Lithiumcarbonat, Titanoxid oder Kupfer und auch Natrium und Kalium.

Es kommt immer auf die exakte Menge an, in der ein Stoff verwendet wird, und zahlreiche oft schwer oder nicht verstehbare Wechselwirkungen treten auf. Beispielsweise ist es mir schon öfters passiert, dass der Zusatz von 2 Prozent des eigentlich kristallfördernden Stoffes Lithium zu einer funktionierenden Kristallglasur-Mischung die Kristallbildung fast ganz gestoppt hat. Aber umgekehrt habe ich schon mehrmals bei der Glasurentwicklung erlebt, wie durch dieselben zusätzlichen 2 Prozent Lithium aus einer matt-krustigen Glasur eine schöne Kristallglasur geworden ist ...

Ebenso heikel wie die Glasurmischung ist auch der Ofenbrand. Schon kleine Abweichungen bei der Temperatur können große Probleme erbringen. Beispielsweise ist die Temperatur in meinem Ofen oben ca. 15 Grad kühler als unten. Doch diese 15 Grad führen auch bei einer Brenntemperatur von 1230°C dazu, dass meine Kristallglasuren nur im unteren Bereich des Ofens gelingen.

Um meine Ausführungen auf die knappeste Formel zu bringen:

Kristallglasuren bleiben immer ein Abenteuer!